So weit komm's noch

Kino-Spielfilm

Bärbel Schmitz lebt mit ihrer Familie in einem kleinen, pittoresken Städtchen im Rheinland, arbeitet halbtags als Angestellte eines Logistikunternehmens und steht mit beiden Beinen fest im Leben. Die Schmitzens sind alles in allem das, was man eine Durchschnittsfamilie nennt. Doch eines Tages verändert sich ihr Leben schlagartig – und das hat mit einem kleinen Zettelchen zu tun. Bärbel macht daheim gerade die Wäsche und das Hemd, das sie für ihren Mann als Geburtstagsgeschenk gekauft hat, soll in die Waschmaschine. Als Bärbel jedoch die kleinen Klammern entfernt, mit denen das Hemd zusammengehalten wird, rutscht bei dem Kleidungsstück besagtes Zettelchen raus. Die Worte darauf sind in englischer Sprache und in krakeliger Handschrift geschrieben.

„PLEASE“, steht da. „I NEED YOUR HELP. MY FAMILY IS POOR AND WE HAVE NO MONEY FOR FOOD AND MEDICINE. OUR FATE IS IN YOUR HAND.“

...und damit beginnt eine turbulente Geschichte, die das an sich geregelte und bislang ziemlich friktionsfreie Leben von Bärbel Schmitz und ihrer Familie komplett umkrempeln wird. Das hat mit einem jungen Mann in Bangladesch zu tun, dem Verfasser der Botschaft auf dem Zettelchen: Rani Manabendra Chandra lebt in den trostlosen Slums der Hauptstadt Dhaka und arbeitet für einen kargen Lohn in einer der zahllosen Textilfabriken. Eines Tages hat der junge Mann eine Botschaft in den Falten eines Hemdes versteckt, das er im Sweat Shop verpackt. Er riskiert damit seinen Job, denn wenn er bei der Aktion entdeckt werden sollte, wird er sofort fristlos entlassen. Im fernen Deutschland hält nun Bärbel Ranis Botschaft in Händen - und sie erinnert sich an das alte Sprichwort: „Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.“

Drehbuch und Regie
Rupert Henning

DarstellerInnen
Annette Frier, Eva Verena Müller, Nicole Johannhanwahr, Jutta Speidel, Henning Baum, Heiner Hardt, Matti Schmidt-Schaller u.v.m.

ProduzentInnen
Isabelle Welter und Rupert Henning (WHee Film), Eva Holtmann, Gerda Müller, Jan Kromschröder (Bantry Bay Productions)

Kamera
Josef Mittendorfer

Schnitt
Birgit Foerster

Musik
Elisabeth Kaplan, Florian Hirschmann

Ton
Bastian Büßer, Ingo Pusswald (Mischung)

Szenenbild
Roland Wimmer

Kostümbild
Caroline Habicht

Maskenbild
Nadi Homri, Peggy Schmitz-Lilkendey

Casting
Angelika Buschina

Eine Produktion von WHee Film (Österreich) und Bantry Bay Productions (Deutschland) im Auftrag des ZDF

Ein Gespräch mit dem Autor und Regisseur Rupert Henning

Wie kam es zu diesem Filmprojekt, was war die Initialzündung?
Die Produzentin Eva Holtmann las eines Tages einen Artikel über eine Frau in Deutschland, die für ihren Ehemann als Geburtstagsgeschenk zwei Hemden kaufte – und als die Frau die Kleidungsstücke aus der Verpackung nahm, um sie zu waschen, fiel ein kleiner Zettel aus einem Hemdkragen. Eine rasch hingekritzelte Botschaft: der Hilferuf eines Arbeiters in Bangladesch, der für einen Hungerlohn in einem der dortigen Sweat Shops arbeitete und um Unterstützung für seine Familie bat.

Der Film fußt also auf einer wahren Begebenheit?
Im Laufe der vergangenen Jahre wurde über einige solcher „Zettel-Aktionen“ in den Medien berichtet. In England haben Kunden einer Billigmodekette in den Kleidungsstücken, die sie dort erworben hatten, eingenähte Hilferufe gefunden. Es wurde meines Wissens nach nie geklärt, ob diese Botschaften von ausgebeuteten Arbeitern in Asien oder von pfiffigen Menschenrechtsaktivisten stammten, die auf diese Weise auf die unhaltbaren und unzumutbaren Zustände in den Textilfabriken aufmerksam machen wollten. Der Artikel über die Frau in Deutschland, die den Zettel im Hemdkragen fand, war für uns der Ausgangspunkt. Es ist ein Augenblick, der das Leben zweier Familien in komplett unterschiedlichen Welten schlagartig verändert – und der Beginn einer sehr bewegenden, spannenden Geschichte. Kurzum, ein großartiger Filmstoff.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem ZDF?
Wir haben einige Zeit lang nach einer stimmigen Konstellation gesucht, um den Film zu realisieren, denn der Stoff hat uns einfach nicht mehr losgelassen. Im Jahr 2018 habe ich zusammen mit Isabelle Welter in Wien die WHee Film gegründet und wir haben Eva Holtmann kontaktiert, die inzwischen als Produzentin für Bantry Bay Productions in Köln gearbeitet hat. Sie war sehr daran interessiert, das Projekt als deutsch-österreichische Ko-Produktion weiterzuentwickeln. 2021 sind dann schließlich zwei Dinge geschehen: Katharina Görtz, Redaktionsleiterin beim ZDF, mit der ich bei einem früheren Filmprojekt schon zusammengearbeitet hatte, lud mich auf eine „Gedankenreise“ ein, um gemeinsam über neue Projekte nachzudenken. Und fast zur selben Zeit hatte ich Kontakt zu Annette Frier, die meinen Kinofilm „Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein“ gesehen hatte und gerne mal mit mir zusammenarbeiten wollte. Da kam der Stoff von „So weit kommt’s noch!“ gerade recht, das hat sich einfach wirklich stimmig ergeben.

Wann kam vom ZDF grünes Licht für eine Realisierung?
Nachdem Eva, Isabelle und ich die „Zettel-im-Hemd“-Geschichte mit Annette in der zentralen Rolle dem ZDF vorschlugen, holte Katharina Görtz noch die Redakteurin Corinna Marx an Bord, die mit Annette bei der „Ella Schön“-Reihe zusammengearbeitet hatte. Wir waren uns dann alle schnell einig, dass wir den Stoff als Familienkomödie umsetzen wollten. Im Laufe des Jahres 2022 wurde dann das Drehbuch entwickelt und geschrieben – und im Frühjahr 2023 konnten wir den Film in Köln und Umgebung drehen. Geschnitten, mit einem Soundtrack versehen und fertiggestellt wurde er dann in Wien – es handelt sich also in der Tat um eine waschechte deutsch-österreichische Zusammenarbeit.

Wie lief‘s denn bei den Dreharbeiten? Wie war Ihre Zeit in Köln?
Die Zeit in Köln fand ich großartig. Ich kam gemeinsam mit meinem Kameramann Josef Mittendorfer, mit dem ich schon bei zahlreichen Filmen zusammenarbeiten durfte, ins Rheinland. Wir waren die einzigen zwei „Ösis“ in einem Team, das sonst ausschließlich aus deutschen Filmleuten bestand. Wir wurden zunächst ein bisschen beschnuppert, aber nachdem man rasch festgestellt hatte, dass diese beiden Österreicher keine obergescheiten „Stinkstivvel“ sind, war alles gut und es hieß: „Dat läuft.“

Haben Sie eine Vorliebe für Stoffe, bei denen relevante Themen quasi mit leichter Hand erzählt werden?
Humor ist, frei nach Charles Dickens, bekanntlich neben der Liebe eine der besten Formen, mit dem Leben fertig zu werden. Das Leben selbst ist ja selten eindimensional, es kann schicksalsschweres Drama sein oder turbulente Komödie. Oft ist es beides – ganz knapp hintereinander oder sogar gleichzeitig. Eine scharfe Trennlinie ist da kaum zu ziehen. Wenn allerdings unterhaltsame Filme nicht ernsthaft gemacht werden, geraten sie rasch zur seichten Blödelei - und wenn ernste Filme nicht unterhaltsam sind, findet das Publikum sie schlicht langweilig. Es geht immer darum, eine Balance zwischen Komik und Tragik zu finden. Letztlich entscheidet das Publikum über einen Film. Ich halte mich da an Billy Wilders Gebot fürs Filmemachen: „Du sollst nicht langweilen!“

Ist es schwieriger, Stoffe zu realisieren, die keinem Genre eindeutig zuzuordnen sind?
„So weit kommt’s noch!“ ist ganz eindeutig eine Komödie – aber eben eine mit Substanz und Tiefgang, wie ich finde. Das war unser Anspruch beim Entwickeln der Geschichte. Solche Stoffe sind besonders interessant, weil sie im besten Sinne herausfordernd und zugleich extrem ansprechend sind. Man kann mit solchen Filmen ein großes Publikum erreichen, das macht sie so attraktiv. Dabei geht es aber nicht um irgendeinen sportlichen Ehrgeiz, um Quotenjagd als Selbstzweck. Ich finde es vielmehr reizvoll, mit komplexen Geschichten und anspruchsvollen Themen nicht nur die Special-Interest-Community zu erreichen, ein Nischenpublikum also, sondern ebendiese Geschichten in die Mitte der Gesellschaft zu transportieren. Das ist möglich, wenn man sowohl das Publikum als auch die Figuren der Handlung ernst und sich selbst dagegen nicht allzu wichtig nimmt. Ein guter Geschichtenerzähler drängt sich meiner Meinung nach nie in den Vordergrund. Wenn seine Geschichte gut gebaut ist, nicht schematisch, spekulativ oder oberflächlich, dann wird sie sich im besten Fall vom Erzählenden lösen, im „Kopfkino“ des Publikums entfalten und dort ihre Wirkung tun.

Welchen Anteil haben die Schauspielerinnen und Schauspieler am Gelingen eines Filmes?
Das Ensemble – von den zentralen Figuren bis zu jenen, die vielleicht nur ganz kurz zu sehen sind – hat natürlich einen sehr, sehr großen Anteil am Gelingen eines Filmes. Das Drehbuch ist das Fundament, aber die Besetzung der Rollen ist im wahrsten Sinne des Wortes spielentscheidend, denn die Schauspielerinnen und Schauspieler erwecken die Geschichte schließlich vor der Kamera zum Leben. Und eine Komödie wie „So weit kommt’s noch!“, die sich auf unterhaltsame und zugleich in ihrer Herangehensweise ernsthafte Weise einigen der zentralen Themen unserer Zeit widmen will – das ist quasi die Königsdisziplin.

Wenn man an die momentane Weltlage denkt, fällt es einem da nicht schwer, optimistisch zu bleiben und optimistische Filme fürs Fernsehen zu machen?
Optimismus ist ja nicht zwingend mit Schönfärberei gleichzusetzen. Der Mensch ist weder a priori gut noch a priori schlecht. Zweifellos hat er im Laufe seiner Geschichte unzählige Male unter Beweis gestellt, dass er beides beherrscht: bedingungslose Empathie und gnadenlose Empathielosigkeit. Wir helfen einander oft in vorbildlicher Weise, aber wir lassen einander auch bisweilen komplett im Stich. Altruismus und Egoismus existieren nicht selten parallel. Die meisten von uns sind wohl nicht extrem veranlagt und bemühen sich darum, ein gesundes Maß an Selbstliebe und ein ebenso gesundes Maß an Nächstenliebe aufzubringen. Totale Selbstlosigkeit ist mutmaßlich ebenso selten wie totale Selbstsucht. Der Punkt ist, wir sind jeden Tag gefordert, anderen gegenüber möglichst aufmerksam zu sein - vor allem bei den sogenannten „kleinen Dingen“. Bloßes Mitleid hilft zum Beispiel nicht weiter. Der Schriftsteller Maxim Gorki notierte dazu das Folgende: „Eigentlich sollte man einen Menschen überhaupt nicht bemitleiden. Besser ist es, man hilft ihm.“

Drehbuch und Regie
Rupert Henning

DarstellerInnen
Annette Frier, Eva Verena Müller, Nicole Johannhanwahr, Jutta Speidel, Henning Baum, Heiner Hardt, Matti Schmidt-Schaller u.v.m.

ProduzentInnen
Isabelle Welter und Rupert Henning (WHee Film), Eva Holtmann, Gerda Müller, Jan Kromschröder (Bantry Bay Productions)

Kamera
Josef Mittendorfer

Schnitt
Birgit Foerster

Musik
Elisabeth Kaplan, Florian Hirschmann

Ton
Bastian Büßer, Ingo Pusswald (Mischung)

Szenenbild
Roland Wimmer

Kostümbild
Caroline Habicht

Maskenbild
Nadi Homri, Peggy Schmitz-Lilkendey

Casting
Angelika Buschina

Eine Produktion von WHee Film (Österreich) und Bantry Bay Productions (Deutschland) im Auftrag des ZDF